Warum es Sinn macht, sich an Fütterungsempfehlungen der Hersteller zu halten
Im Nachfolgenden wird das Thema „Fütterungsempfehlung“ von Alleinfuttermitteln erläutert. Das heißt, die nachfolgenden Empfehlungen gelten nicht für Futtermittel, die bei normaler Futtermenge bei gesunden normal aktiven Hunden zu Mängeln oder aber Überversorgungen führen. Wer sich zu dem Thema „Bedarfsdeckung von Alleinfuttermitteln ohne synthetische Zusatzstoffe“ informieren möchte, dem empfehle ich folgenden Beitrag: https://www.napfigator.de/2019/05/24/stiftung-warentest-und-das-gute-hundefutter/
„Alleinfuttermittel müssen nach Maßgabe des Futtermittelrechts so zusammengesetzt sein, dass bei ausschließlicher Verwendung weder ein Mangel noch ein Überschuss an essenziellen Nährstoffen eintritt.“[1]
Bei Hunden ist ein um 60% erhöhter Energieverbrauch zu verzeichnen, wenn die Umgebungstemperatur von 22°C auf 4-5°C sinkt. [2] Weiter haben Arbeitshunde einen Bedarf der bei 150-350% des Energiebedarfs eines normalen Hundes liegt.[3]
Der Energiebedarf hängt von Rasse, Alter, Umweltbedingungen, Aktivität und Erkrankungen ab und ist daher von Hund zu Hund unterschiedlich. Die Futtermenge muss daher an den individuellen Energiebedarf angepasst werden, um so das Idealgewicht zu halten. Mit dieser Futtermenge sollte gleichzeitig der Bedarf an Nährstoffen gedeckt sein. [4]
Genau hier liegt das Problem. Wenn der individuelle Energiebedarf von der Fütterungsempfehlung stark abweicht, ist das Fertigfutter ggf. nicht mehr passend und es kann zur Unter- bzw. Überversorgung mit Nährstoffen kommen.
Zur Veranschaulichung habe ich ein Trockenfutter als Beispiel gewählt. Dieses Futter empfiehlt für einen 20kg Hund 160-240g Futter. Bei mehr als einer Stunde Aktivität pro Tag sollen 240g gefüttert werden, bei weniger als einer Stunde Aktivität sollen 160g gefüttert werden. In dem Bereich von 160g-240g sollte das Futter also einerseits bedarfsdeckend sein und andererseits natürlich nicht zur Überversorgung führen.
Angemerkt sei hier, dass die Deckung je nach Fertigfutter variiert und es bei anderen Futtersorten deshalb zu anderen Abweichungen kommt, sodass jedes Futter für sich betrachtet werden muss.
Auch bei der untersten Menge der Fütterungsempfehlung ist der Bedarf gedeckt.
Wie man sehen kann, sind die Bedarfswerte schon innerhalb der Fütterungsempfehlung überdeckt. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die Bedarfswerte nach NRC [5] nur den Mindestbedarf an essenziellen Nährstoffen abbilden, sodass eine Überdeckung bis zu einem bestimmten Grad kein Problem darstellen. [6] Bis zu welchem Punkt eine Überdeckung ungefährlich ist, ist von Nährstoff zu Nährstoff unterschiedlich.
Hunde mit einem sehr niedrigen Grundumsatz
Hier möchte ich speziell auf Hunde mit einem sehr niedrigen Grundumsatz eingehen, welcher so niedrig ist, dass er deutlich unterhalb der Fütterungsempfehlung des Fertigfutters liegt.
Übergewichtige Hunde, kastrierte Hunde, Hunde mit bestimmten Krankheiten oder einfach sehr ruhige wenig aktive Hunde haben unter Umständen einen sehr niedrigen Grundumsatz.
Oft wird empfohlen, dass Hunde, die abnehmen sollen, einfach mit einer geringeren Menge des normal genutzten Futters zu füttern oder sogar nur die Hälfte der normalen Futtermenge zu geben. Einerseits ist eine plötzliche und so starke Reduktion der zugeführten Energie nicht schonend. Andererseits reduziert man so auch die Zufuhr von Protein, Mineralstoffen und Vitaminen. Ein Proteinmangel kann z.B. zum Abbau von Muskelmasse führen, was dann fälschlicherweise als Erfolg gehandhabt wird, da eine Gewichtsabnahme auf der Waage ersichtlich ist. Neben einem Proteinmangel können jedoch auch weitere Nährstoffmängel resultieren, die für den Stoffwechsel und die Gewichtsreduktion negative Folgen haben können. Zink wirkt z.B. regulierend auf den Appetit und ein Mangel an Zink kann zur erhöhten Insulinausschüttung und Bildung eines Fettansatzes führen. Vitamin B2 ist wichtig für den Energiestoffwechsel und Magnesium ist am Fettabbau beteiligt.[7]
Schon bei einer Unterschreitung der angegebenen Fütterungsempfehlung um 30g kommen Nährstoffe zu kurz.
Bei einer Halbierung der Futtermenge von den empfohlenen 200g für normal aktive Hunde auf 100g wären selbst Kupfer, Mangan, Vitamin D, Vitamin A und Vitamin B5 nicht mehr gedeckt.
Entweder wird das Defizit durch entsprechende Zusätze zielgerichtet ausgeglichen oder es wird auf ein Futter gewechselt, das auch bei geringerem Energiebedarf in Bezug auf die Nährstoffe bedarfsdeckend ist, also die Energiezufuhr zur Fütterungsempfehlung passt.
Bei übergewichtigen Hunden oder Hunden mit geringem Energiebedarf macht es zusätzlich Sinn auf ein Nassfutter oder Kochen/Barfen zu wechseln, da so die Futtermenge höher ist, was zu einer besseren Sättigung führen kann.
Hunde mit einem sehr hohen Energiebedarf
Hier möchte ich speziell auf Hunde eingehen, die einen solch hohen Energiebedarf haben, dass auch mit der Futtermenge für aktive Hunde der Energiebedarf nicht gedeckt wird. Gerade als Windhundbesitzerin komme ich oft mit Windhunden in Kontakt, die teilweise mehr als das doppelte der Fütterungsempfehlung erhalten bzw. ad libitum gefüttert werden. Auch junge Malinois oder generell aktive Rassen, die Leistungssport betreiben sowie Jagdhunde, haben, wie am Anfang erwähnt, einen stark abweichenden Energiebedarf zum normalen „Couchhund“.
Auch wenn es üblich heißt, dass die Menge des normalen Futters einfach erhöht werden soll, so ist das bei stark abweichenden Mengen nicht zu empfehlen und kann im schlimmsten Fall zu gesundheitlichen Problemen führen. Genauso wie bei einer Unterversorgung, kommt es auch bei einer kurzzeitigen Überversorgung normal nicht zu Schäden. Langfristig können zu hohe Mengen an Nährstoffen jedoch zu Problemen führen. Dillitzer nennt als mögliche Folgen von Überversorgung z.B. Harnsteine bei einer zu hohen Zufuhr von Kalzium, Magnesium oder Phosphor. Eine gleichzeitige zu hohe Zufuhr mit Vitamin D könne zusätzlich zur Verkalkung von Blutgefäßen führen. Eine Überversorgung mit Jod könne zu Schilddrüsenunterfunktion führen, was zahlreiche weitere Symptome mit sich bringt.[8]
Wie aus diesem Diagramm deutlich wird, ist das Futter nicht zur langfristigen Fütterung von extrem aktiven Hunden geeignet. Es muss daher auf ein Futter gewechselt werden, das den Ansprüchen eines sehr aktiven Hundes entspricht und trotz extrem hoher Energiezufuhr nicht zu einer zu hohen Nährstoffzufuhr führt.
Pauschale Empfehlungen für Hundehalter
Da Laien eher selten ein Programm zur Rationsüberprüfung besitzen und so nur schwer die Nährstoffdeckung überprüfen können, habe ich nach pauschalen Empfehlungen der Hersteller gefragt, die sie Ihren Kunden an die Hand geben. Daher habe ich bei verschiedenen Herstellern angefragt, ab welcher Abweichung von der Fütterungsempfehlung sie zu einem Futterwechsel raten. Einige Hersteller hatten keine pauschalen Richtwerte und empfehlen bei jeder Abweichung von der Fütterungsempfehlung mit der Telefonhotline Kontakt aufzunehmen, um zu schauen, ob das Futter passt. Andere konnten mir pauschale Richtwerte nennen, ab welcher Abweichung sie zum Futterwechsel raten. Für die Auskunft der Hersteller möchte ich mich natürlich recht herzlich bedanken.
Hier möchte ich einmal die ausführliche Antwort von Tierärztin Andrea Göbel wiedergeben. Die Mehrheit der Antworten der anderen Hersteller stimmt mit ihrer Pauschalempfehlung überein.
„Wie bei unseren Fütterungstabellen angegeben, empfehlen wir eine langfristige Abweichung von unseren Fütterungstabellen von max. 10-15% nach oben oder unten um das Risiko eine Über- oder Unterversorgung an Nährstoffen zur reduzieren.
Nicht nur dass eine weitere Erhöhung der Futtermenge zu einer möglichen Überversorgung an Mineralien, Vitaminen und Spurenelementen führen kann, auch der Magen-Darm-Trakt kann irgendwann mit den großen Mengen schlichtweg überfordert sein, so dass der Hund letztendlich trotz erhöhter Futtermenge nicht zunimmt.
Somit ist es sinnvoll in so einem Fall auf ein Futter umzustellen, das den Bedürfnissen des Hundes gerecht wird. Hierzu ist es wichtig genau zu erfahren für was der Hund eingesetzt wird. Ist er ein Rennhund für Kurzstreckensprints oder ist es ein Ausdauerläufer etc. - diese haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse.
Kommt der Hund mit seinem Futter nicht zurecht ist es Sinnvoll eine Rationsüberprüfung durchführen zu lassen.
Gleiches gilt auch bei einer dauerhaften Unterschreitung der Futtermenge, z.B. bei Neigung zu Übergewicht. Hier kann eine starke Reduktion der Futtermenge erstens zu einer Unterversorgung von Nährstoffen führen. Zudem haben diese Hunde schlichtweg häufig Hunger und werden vermehrt betteln oder draußen beim Gassigehen Unrat aufnehmen.“ [9]
Zusammengefasst sollten Hundebesitzer also ab einer Abweichung von 10% bis maximal 15% von der Fütterungsempfehlung ein anderes Futter wählen, das den Anforderungen und Bedürfnissen des Hundes entspricht bzw. Kontakt mit dem Hersteller aufnehmen. Kann das Futter aus Verträglichkeitsgründen oder aufgrund von Mäkeligkeit nicht einfach gewechselt werden, sollte eine Rationsüberprüfung durchgeführt werden. Auch wenn es kein Futter gibt, das diesen Ansprüchen entspricht, macht eine Beratung durch einen Ernährungsberater Sinn.
[1] Meyer, H., & Zentek, J. (2010). Ernährung des Hundes: Grundlagen-Fütterung-Diätetik. Georg Thieme Verlag. S. 136
[2] Meyer, H., & Zentek, J. (2010). Ernährung des Hundes: Grundlagen-Fütterung-Diätetik. Georg Thieme Verlag. S. 66
[3] Meyer, H., & Zentek, J. (2010). Ernährung des Hundes: Grundlagen-Fütterung-Diätetik. Georg Thieme Verlag. S. 67
[4] Dillitzer, N., Fritz, J., Kölle, P., & Liesegang, A. (2012). Tierärztliche Ernährungsberatung: Diätetik und Fütterung von Hunden, Katzen, Reptilien, Meerschweinchen und Kaninchen. Elsevier Health Sciences. S. 14
[5] National Research Council. (2006). Nutrient requirements of dogs and cats. National Academies Press.
[6] Hand, M., Thatcher, C., Remillard, L.R. (2003). Klinische Diätetik für Kleintiere, Schlütersche GmbH & Co. KG. S. 513
[7] Dillitzer, N., Fritz, J., Kölle, P., & Liesegang, A. (2012). Tierärztliche Ernährungsberatung: Diätetik und Fütterung von Hunden, Katzen, Reptilien, Meerschweinchen und Kaninchen. Elsevier Health Sciences. S. 251
[8] Dillitzer, N., Fritz, J., Kölle, P., & Liesegang, A. (2012). Tierärztliche Ernährungsberatung: Diätetik und Fütterung von Hunden, Katzen, Reptilien, Meerschweinchen und Kaninchen. Elsevier Health Sciences. S. 12f
[9] Tierärztin Andrea Göbel, Serviceabteilung Interquell